Kunst kann sich nicht auf reines Experiment reduzieren. Künstler experimentieren zwar in der Kunst, aber um die bestmögliche Ausdrucksform zu finden.

Eva Flatscher, die Wiener Light Painting- und Performance Künstlerin hat Wien für einige Jahre den Rücken gekehrt. Sie lebt mit Ihrer Familie in New York und performed dort sehr erfolgreich in ihrer neuen zeitgenössischen Kunstform.
Eve Flatscher Rü
MM: Kann man deine Arbeiten überhaupt auf Light Painting reduzieren und gehen deine Performances nicht längst darüber hinaus?

Eva Flatscher: Ja, auf jeden Fall gehen sie darüber hinaus. Lightpainting ist die Maltechnik, ich mach  es nicht wegen der Maltechnik, sondern mir geht und ging es immer darum möglichst alle Kunstformen gleichzeitig sprechen lassen.

MM: Du arbeitest ja seit 1992 als freie Künstlerin und hast bereits 2002 mit Light Painting begonnen. Würdest du heute deine Kunst verwandt oder vielleicht sogar als zufällige Weiterentwicklung des Wiener Aktionismus sehen?

Eva Flatscher: Auf keinen Fall zufällig, das sind meine künstlerischen Wurzeln. Ja, ich sehe es als Weiterentwicklung dieser Kunstform, die in den 60er Jahren entstanden ist. Meine Arbeit ist eine Weiterführung, ja, aber zum Unterschied sehe ich mich als sehr konstruktiv, meine Arbeit ist nicht destruktiv. Ich würde sagen viele Arbeiten im Wiener Aktionismus sind nicht ausschließlich, aber doch augenfällig destruktiv.

MM: Du bist 2011 nach NY gegangen. Waren die Möglichkeiten oder die Akzeptanz deiner Kunstform in Wien nicht gegeben, wobei Wien sich mit Musik und Tanz doch anbieten würde?

Eva Flatscher: Wien und Österreich ist schwierig geworden, womit ich aber nicht sagen möchte, dass ich nicht auch hier Möglichkeiten hatte. Ich habe mich von Wien nicht verabschiedet. In Zukunft sind auch wieder Projekte in Österreich geplant. Alles was ich in meinem Bereich in Wien ausschöpfen konnte, habe ich versucht und getan, NY war einer der nächsten notwendigen großen Schritte.

MM: In der ‘Langen Nacht der Museen‘ in Wien hast du im Eventcenter des Siemens Forums eine sehr erfolgreiche Performance mit dem Engländer Tänzer Dany Scott und der musikalischen Improvisation von David Boyd, Martin Moro und  Willi Platzer gegeben. Gab es zu deiner Zeitgenössischen Performance außer ausgezeichneter medialer Fachkritik auch Interessensbekundungen durch Kuratoren, Österreichische Museen oder vielleicht eine Kunstförderung?

Eva Flatscher: Absolut nichts! Ich habe keine Förderungen bekommen, weder davor noch danach. Der einzige mit künstlerischer Verantwortung in der Öffentlichkeit stehende war Herr Professor Seipl, damals Direktor des Kunsthistorischen Museums, welcher meine Performances gesehen hat und danach eine andere Performance Serie, bei welcher ich über Wochen jeweils 1x wöchentlich aufgetreten bin, aufgrund seiner Begeisterung für meine Arbeit persönlich eröffnet hat.  In Österreich gab es keine weiteren Reaktionen, nur aus dem Ausland kamen Anfragen. Von jenen Künstler die mit mir zusammengearbeitet haben und die Erfahrung gemacht haben sich in dieser Kunstform auszudrücken, hatte ich sofort Akzeptanz. Noch mehr, ich bekomme laufend Anfragen zu neuer oder weiterer Zusammenarbeit, weil es auch für diese Künstler unglaublich wertvoll ist. Aber Künstler sind ja auch keine Veranstalter.

MM: Synästhetiker sehen Zusammenhänge in den Sinneswahrnehmungen wie etwa beim Farbempfinden. Der Buchstabe A kann rot, aber auch andersfarbig wahrgenommen werden. Der Psychologe C.G. Jung sprach von persönlichen und kollektiven unbewussten Bildern. Du spielst nicht nur mit Synergien zwischen bildender Kunst und der Musik, sondern ergänzt diese durch die Tanzperformance? Ist Kunst für dich auch eine Form des Experiments?

Eva Flatscher: Nein, Kunst kann sich nicht auf reines Experiment reduzieren. Künstler experimentieren zwar in der Kunst, aber um die bestmögliche Ausdrucksform zu finden.

MM: Siehst du die USA nach wie vor als Kontinent der Möglichkeiten und/oder attestierst du Europa eine gewisse Zögerlichkeit mit Neuem?

Eva Flatscher: Absolut! Ja, also die Bereitschaft für Neues, offen sein für Unbekanntes ist in den USA um vieles stärker als in Europa. Ich mag zwar Generalisierungen nicht und es gibt immer Ausnahmen, aber wenn man von einer Tendenz spricht kann man das schon so sehen.

MM: Du hast letztes Jahr in NY ein Kunstbuch mit 40 Arbeiten deiner Life-Performances herausgegeben.

Eva Flatscher: Nach einer Performance, die man fotografisch nur schwer festhalten kann, suche ich mir die besten Ideen heraus und setze sie noch einmal bildnerisch um. Das heißt, all die 40 Werke die du in meinem Buch siehst, sind Übermalungen meiner eigenen Malerei. (Lacht)Um jetzt wieder zum Wiener Aktionismus zu kommen. Ich übermale meine eigenen Malereien, die dann als Werke in Ausstellungen präsentiert und verkauft werden können.

MM: Wie kam es zur Auswahl.

Eva Flatscher: Ich habe die 40 Werke nicht aus mehreren sondern aus einer einzigen Performance erarbeitet. Genauso, wie ich immer nach einer Performance einer Bilderserie erarbeite, die dann eben als Werke in Ausstellungen präsentiert werden. Ich bleibe immer Themen- und Inhaltsbezogen, Die Serie muss aber nicht immer eine inhaltliche Dramaturgie haben.

MM: Wie kam es zur Idee des Buches?

Eva Flatscher: Dieses Buch wird u.a. verwendet um mich als bildende Künstlerin vorzustellen. Ich bin in den USA als Performance Künstlerin bekannt, aber es ist noch immer sehr, sehr schwer wenn man grenzüberschreitend arbeitet. Ich unterscheide nicht zwischen der Performance Kunst und einer bildnerischen Tätigkeit, die ich in meinem Atelier mache. Es ist nur eine andere Form, meine Malerei ist letztlich die Gleiche. Und da wir (meine Agentur und ich) eine Ausstellung in Amerika anstreben, dient das Buch auch zur Präsentation meiner künstlerischen Arbeit.

MM: Verlage, Bücherproduzenten etc. und mit ihnen Kunstschaffende, bangen heute ums Überleben und suchen im multimedialen Bereich neue Wege. Siehst du eine zwangsweise Veränderung im Kunstschaffen und ein Ende der Malerei in herkömmlichen Sinn, weil eine Verweigerung, ein Nichteinverständnis mit der digitalen Welt bereits ausgereizt und überholt ist?

Eva Flatscher: Ich freue mich so über diese Frage, weil es mir ein Herzenswunsch ist mehr Information zu transportieren. Ich habe nach meiner letzten Performance gesagt, wenn Van Gogh die digitale Malerei gekannt hätte, hätte er nur mehr digital gemalt. Ich sehe die Technik als ein weiteres Malmittel oder Werkzeug. Es ist nicht Inhalt bestimmend wie etwa zu Beginn als der Computer die Wohnzimmer eroberte, wo es schon Kunst war diesen aufzudrehen. Mein Können ist nach wie vor „wie mache ich meinen künstlerischen Aufbau, was sind meine Inhalte, was sind meine Aussagen und wie kommuniziere ich diese.“ Wenn zB es notwendig wäre um meinen Inhalt besser transportieren zu können mit einem Holzschnitt zu arbeiten, dann würde ich auch heute sofort eine Holzplatte bearbeiten und mich nicht scheuen in den Holzdruck zu gehen. Aber um life zeitgleich mit der Musik zu sein kann ich nicht warten bis eine Farbe trocknet usw. Da kommt mir dieses Medium unglaublich entgegen. Und daher male ich digital.

MM: Die Geschichte der Bildenden Kunst ist ja wie das Wort schon sagt Geschichte. Man kann aber sagen, dass Veränderungen im Kunstverständnis immer mit Nichtakzeptanz einhergingen. Ist so ein Einschnitt gerade im Gange?

Eva Flatscher: Der ist immer im Gange. Es wird aber zum Glück immer neugierige Menschen geben.

MM: Glaubst du nicht, dass dein digitales Arbeiten doch ein sehr großer geschichtlicher Einschnitt ist, wie etwa von eindimensional zu zwei- bzw. dreidimensional?

Eva Flatscher: Ja, da hast du recht. Viele Leute glauben, wenn ich digital male, dann male ich nicht mehr. Wenn ich mit Licht male hat das nichts mit Malen zu tun, weil noch immer die Idee vorherrscht, wenn das nicht Öl auf Leinwand oder Bleistift auf Papier ist, dann ist das nicht Bildende Kunst. Und das Lustige ist, selbst Galeristen die mit Kunst handeln und sich eigentlich mit den Produkten die sie verkaufen auskennen müssten, so reagieren. Ich finde mehr Verständnis im musealen Bereich, wie bei jenen die sozusagen mit den Finanzen kämpfen.

MM: Ist nicht gerade Licht die Grundvoraussetzung um gesehen zu werden?

Eva Flatscher: Ja, absolut.

MM: Welche Voraussetzungen würdest du dir für die Kunst in Österreich wünschen und an welchen Kooperationen wärest du in Österreich interessiert? Wer wären deine Ansprechpartner? 

Eva Flatscher: Ich bin an allen Kooperationen interessiert, die es ermöglichen, dass die Ideen die ich habe verwirklicht werden können. Galeristen sehe ich nicht mehr als Vertreter der Kunst, dass sind Leute, die es Künstlern ermöglichen, dass ihre Arbeiten gekauft werden. Aber ich habe mich noch nie von einem Galeristen künstlerisch vertreten gefühlt. Das sieht man auch in NY ganz stark, wo der Druck ungeheuerlich groß ist, die müssen ihre monatlichen hohen Mieten und Kosten hereinbekommen, haben zahlreiche Künstler in ihrem Repertoire und letztlich nur wenige auf die sie sich 100%ig konzentrieren können um auf ihre Zahlen zu kommen. Das sehe ich gar nicht negativ, das ist halt so. Aber bei Museen ist es wie im Theater, da hat man einen Leiter der sich ausschließlich mit dem Künstlerischen beschäftigt und einen Finanzdirektor. Wenn diese 2 Dinge getrennt sind, dann hat die Kunst gewonnen! Daher bin ich auch skeptisch bei öffentlichen Förderungen.

MM: Ist Kunstsponsoring aus der Wirtschaft ein Thema für dein Arbeiten? 

Eva Flatscher: Das war und ist es auf jeden Fall, wenn ein Konzern eine Light painting Produktion von mir nicht gekauft hätte, dann wäre sie nie veröffentlicht worden, bzw. dann hätte die Performance nie stattgefunden.

MM: Wie sind die Voraussetzungen in Österreich und würdest du etwas ändern.

Eva Flatscher

Eva Flatscher: Ich bin doch seit mehr als 3 Jahren weg und habe mich zuwenig mit der Situation in Österreich beschäftigt. NY war ja nicht mein erster Ausflug ins Ausland, ich bin dorthin gegangen, wo man meine Arbeiten sehen wollte. Man hat mich sozusagen gerufen und ich bin dem Ruf gefolgt.

Bis zu einem gewissen Bereich hatte ich ja auch Akzeptanz hier, weil ich ja Projekte verwirklichen konnte. Vielleicht wäre ich nicht weggegangen, wenn ich hier rund um die Uhr beschäftigt gewesen wäre.

MM: Hast du den Eindruck wenn man als Künstlerin aus NY kommt, dass die Türen etwas weiter offen sind?

Eva Flatscher: Dazu bin ich vielleicht noch zu kurz weg um das ehrlich beantworten zu können.

MM: Was wäre wieder ein Beweggrund für dich um nach Österreich zu kommen?

Eva Flatscher: Ich würde jederzeit überall hinkommen, wo sich meine Projekte realisieren lassen. Wenn die Wiener Staatsoper mir anbieten würde bei einem Musiktheater mitzuwirken, ich komme sofort, ich bin morgen schon da, ich bleib da!

MM: Wäre dein Fokus auf Musik, auf Tanz oder auf beidem? Ist für dich wesentlich dass alles vorkommt, wenn du von Theater sprichst?

Eva Flatscher: Nein, aber am meisten kommt mir entgegen, wenn das alles vorkommt. Ich habe schon mit anderen Performances gezeigt, dass es ohne künstlerischen Verlust sehr wohl auch möglich ist nur 2 Kunstformen miteinander zu verbinden.

MM: Gibt es Konkurrenz?

Eva Flatscher: Ja, natürlich, immer.

MM: Danke für das Gespräch!

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Veröffentlicht in Kultur & mehr, Powerfrauen
One comment on “Kunst kann sich nicht auf reines Experiment reduzieren. Künstler experimentieren zwar in der Kunst, aber um die bestmögliche Ausdrucksform zu finden.
  1. Eva Flatscher hat in Salzburg, Wien und den USA studiert. Sie hat mit Einzelausstellungen, Installationen, Kurzfilmen und Performances bis 2010 schwerpunktmäßig von Wien aus gearbeitet. Mit viel Mut, Neugierde, guter Organisation und nicht ohne finanzielles Risiko sind Mann und Kinder für 1 geplantes NY Jahr mitgezogen. Nun sind alle schon 4 Jahre dort und es sieht nicht so aus, als kämen sie so schnell zurück – es sei denn, vielleicht ruft auch mal Österreich!

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