Wie man beim Einkochen auf gute Gedanken kommt
Ich stehe in der Küche und koche Marillenmarmelade ein.
Eigentlich liebe ich diese Tätigkeit, wurde ich ja bereits als kleines Kind von der Großmutter in die Geheimisse von Einkochen, Ein-rexen und Einmachen eingeweiht. Ich dämpfe, safte, koche, trockne alles ein, was mir mein kleiner Garten bietet. In meiner Hexenküche brodelt und duftet es nach Früchten und getrocknetem Rosmarin. Neben einem kühlen Gläschen Prosecco und herrlicher Musik im Hintergrund, kann ich so richtig den Alltag vergessen, obwohl ich mitten drin stehe, nur leicht bekleidet, weil mich die Sommerschwüle und die Hitze des Herdes fest umklammern.
Aus den Kinderzimmern, naja Kinder sind ja meine Habwüchsigen nicht mehr, also aus den Jugendzimmern, höre ich wildes Gelächter, dazu Musik und Gläsergeklirre.
So stehe ich vor meinen Töpfen und fühle mich ungemein wohl, bis mich Johannes aus meinen Kindheitsträumen reißt. Er und seine Freundin wollen mit den Hunden einen kleinen Spaziergang machen. Wunderbar! Nur zu! Man sollte Jugendliche nie bei ihren Ambitionen stören.
Außerdem kann ich mir gut vorstellen, was die zwei machen wollen,… und Hunde können ja Gott sei Dank nicht petzen. Ich war ja schließlich auch einmal jung und verliebt.
Schon sind die beiden händchenhaltend aus der Küche und lassen mich weiterträumen. Während ich an meiner Marmelade rühre und rühre, denke ich beim aufsteigenden Duft süßer Marillen an die herrlichen Sommer, in denen ich mit meinem Mann durch die Wälder streifte. Eine unbekümmerte, unbeschwerte Zeit. Eine Zeit, die nur uns gehörte und die wir mit vollen Zügen genossen. Einmal zärtlich und wieder stürmisch, ließen wir uns von der Natur inspirieren und scherzten gemein über die neurotische Erwachsenenwelt, die nur Arbeit und Pflicht kannte. Wir schworen uns damals nie auf das Träumen verzichten zu wollen, und ließen uns gegenseitig stets den Raum diese Freiheit umzusetzen.
„Mein Gott!“, denke ich mir, „wie alt bin ich denn geworden? Nun stehe ich selbst in der Küche und koche Marmeladen ein, trockne die Kräuter für Tees und sorge, dass bei meinem großen Haushalt immer frisches Gemüse in der Tiefkühltruhe zur Verfügung steht.“
„Es schmeckt halt besser, wenn man die eigenen Gartenfrüchte verarbeitet“, meint meine rechte Gehirnhälfte, „und gesünder ist es auch noch!“ Die Linke meint dazu nur höhnisch, dass gutes Essen der Sex der alten Leute ist. Wie boshaft!
Aber immerhin bin ich ja noch Chef über beide Gehirnhälften, also beschleunige ich den Weg des Einkochens und fülle die vorbereiteten Gläser schnell mit der heißen Köstlichkeit. Johannes und seine Freundin kommen satt und glücklich von ihren Eroberungsstreifzügen zu mir in die Küche und verschlingen gierig, die letzten Reste der Marmelade auf dicken Butterbroten. Liebe macht hungrig. Mich auch. Ich ziehe mir rasch was Nettes an und überrasche meinen Mann mit einem sommerlichen Spaziergang.
Die Kinder können sich gut vorstellen, was wir machen wollen,…und Hunde können ja Gott sei Dank nicht petzen.
Auf einen nächsten schönen Sommer !
Von Mag. Katharina Grabner-Hayden
Mag. Katharina Grabner-Hayden studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, ist verheiratet, Mutter von vier Söhnen und damit nicht genug, auch erfolgreiche Autorin. Der alltägliche Wahnsinn in einer Familie ist eines ihrer Lieblingsthemen. Zwischen 1998 und 2005 schrieb Grabner-Hayden für eine deutsche Zeitschrift Kolumnen zum Thema „Frau sein“. 2005 erschien der historische Roman „Löschen“, 2009 der Roman „Drei Leben“ und 2011 erschien ihr Satireband „Jeden Tag ist Muttertag“ im Amalthea Verlag. Jetzt ist der Folgeband „Ein himmlisches Chaos“ erschienen. Mag. Katharina Grabner-Hayden lebt und arbeitet in der Nähe von Krems, Niederösterreich.