Das Produkt, das ihnen aber das Überleben ermöglichen soll, ist der Kaffee.
Die Sierra Norte nahe der mexikanischen Stadt Oaxaca ist eine traumhafte Berglandschaft. An den steilen Hängen wachsen die unterschiedlichsten Pflanzen wie Mango- und Papaya-Bäume, dazwischen Bananenstauden und Kaffeesträucher. Die kleinen Dörfer schmiegen sich in die Landschaft – ein idyllisches Bild. Wenn da nicht einiges wäre, was diese Idylle doch sehr trübt. Diese Dörfer sind nämlich nur über Sandpisten erreichbar und von der Stadt Oaxaca ca. 5 Fahrstunden entfernt. Die Menschen leben von ihren kleinen Gärten, in denen sie das Lebensnotwendigste wie Mais, Bohnen und Kürbisse anbauen. Das Produkt, das ihnen aber das Überleben ermöglichen soll, ist der Kaffee.
Sie ist eine der vielen indigenen Bäuerinnen, die ihr Leben in die Hand genommen haben, denn die Männer sind in den mexikanischen Dörfern in der Minderheit.
Im Dorf Tanetzi habe ich Elvira, eine indigene Kaffeebäuerin kennengelernt. Sie gehört wie viele in der Umgebung der Fairtrade-Genossenschaft Yeni Navan Michiza an. Ihre Familie lebt vom Kaffeeanbau. Sie sammeln ihre Kaffeesäcke mit den anderen Bäuerinnen und Bauern im Ort und diese werden dann von der Fairtrade-Genossenschaft abgeholt und mit anderen Genossenschaften gemeinsam wird daraus der in Österreich sehr geschätzte Organico-Kaffee produziert. Aber Elvira und einige Bäuerinnen des Ortes bauen nicht nur auf den globalen Markt, sie wollen ihren biologisch angebauten Kaffee auch in Mexico verkaufen. Deshalb machen sich einige Frauen jeden Freitag früh mit ihrem Kaffee auf die 5-stündige Reise mit dem Bus nach Oaxaca auf einen kleinen Bio-Markt. Die Jura-Kaffee-Maschine, ein Geschenk einer Schweizer Entwicklungsorganisation, mit der sie den Kaffee ausschenken, können sie in Oaxaca lagern. Am Samstag nach Marktschluss treten sie dann wieder die weite Heimreise an. Elvira versucht sich auch mit dem Anbau von Vanille, webt Umhängtücher und es bleibt ihr dennoch Zeit, die köstlichsten Tortillas zu backen. Sie ist eine der vielen indigenen Bäuerinnen, die ihr Leben in die Hand genommen haben, denn die Männer sind in den mexikanischen Dörfern in der Minderheit. Viele müssen auswärts versuchen, etwas dazu zu verdienen. Der Zusammenschluss zu einer Fairtrade-Genossenschaft ermöglicht den Familien erstmals ihr Leben ein wenig planen zu können. Frauen erleben sich als gleichberechtigte Genossenschafts-Mitglieder.
Aber das ist nur ein Beispiel von Vielen. In Nicaragua hat die Entwicklungsorganisation FEM, die in Österreich von der Katholischen Frauenbewegung unterstützt wird, eine eigene Frauenkooperative gegründet, die ihren Fairtrade-Kaffee „Las Diosas“ – Die Göttinnen nennt und ihn vor allem in die USA exportiert.
Überall auf der Welt leisten Bäuerinnen einen großen Teil der landwirtschaftlichen Arbeit, aber es ist noch ein weiter Weg, bis sie als gleichberechtigte Partnerinnen anerkannt und geschätzt werden und die gleichen Rechte auf Landbesitz haben, wie Männer. Aber nicht nur die Produktion, auch die Weiterverarbeitung unter menschenunwürdigen Bedingungen liegt in hohem Maße in den Händen von Frauen. Ein beredtes Beispiel dafür sind die Zustände in der Textilindustrie, die nun durch diverse Katastrophen zunehmend in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken.
Wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren, dann wird ein besonderes Augenmerk auf Ausbeutung und Missbrauch gelegt.
Aber diese Frauen haben starke Verbündete: die Käuferinnen von Fairtrade-Produkten. Denn die Fairtrade-Genossenschaften haben derzeit schon Auflagen, was das Mitspracherecht von Frauen betrifft. Es ist aber ein besonderes Anliegen von entwicklungspolitisch engagierten Frauen hier bei uns, dass Gender-Gerechtigkeit zunehmend in das Blickfeld der Kooperativen, aber auch der Fairtrade-Organisationen überall auf der Welt gerät. Wenn Frauen an Entscheidungen der Genossenschaften und Plantagen mitbeteiligt sind, wird die Fairtrade-Prämie anders verwendet, als wenn es nur Männer tun. Wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren, dann wird ein besonderes Augenmerk auf Ausbeutung und Missbrauch gelegt.
…dass vor allem wir Frauen das Zeug dazu haben, eine bessere Welt zu schaffen.
Am anderen Ende der Kette ist es so, dass Frauen meist sensibler auf die Informationen über ungerechte Handelsbeziehungen reagieren und ihr Kaufverhalten davon beeinflusst wird. Die beispiellose Erfolgsgeschichte von Fairtrade hängt sicher damit zusammen. Widerspricht doch das Fairtrade-Siegel so ziemlich allen üblichen Werbestrategie. Es ist nichts für Schnäppchenjäger MarkenfestischistInnen. Fairtrade-Käuferinnen und Käufer sind überlegte und informierte KundInnen mit Ansprüchen nicht nur für das eigene Wohlbefinden sondern auch für soziale Verantwortung. Dabei geht es um den mehrfachen Genuss für qualitätvolle Produkte einen gerechten Preis zu bezahlen, von dem diejenigen, die diese Waren produziert haben, auch leben können. Und wer schon mal bei „Anukoo“ und „Göttin des Glücks“ eingekauft hat, weiß, Fairtrade ist keineswegs eine sauertöpfische Angelegenheit frustrierter zu kurz Gekommener, sondern schick und lustig. Dahinter steht das solidarisches Bewusstsein, in der gleichen Welt wie Elvira in Mexico zu leben und davon überzeugt zu sein, dass vor allem wir Frauen das Zeug dazu haben, eine bessere Welt zu schaffen. Fairtrade ist ein – wenn auch noch kleiner – Beweis dafür.
Traude Novy, verheiratet, 3 Kinder, 6 Enkelkinder, 1 Urenkel, Erwachsenenbildnerin, Vorsitzende des Vereins JOAN-Robinson zur frauengerechten Förderung ökonomischen Wissens, langjährige Vorsitzende von FAIRTRADE, Vorstandsmitglied von WIDE -Entwicklungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven. 2008 wurde Traude Novy das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.
Dieser Artikel erinnert uns wieder, auch beim Kaufen einmal kurz inne zu halten und nachzudenken, dass Geiz nämlich so gar nicht geil ist, sondern faires Handeln uns erst zum kultivierten und selbstbestimmten Menschen macht.
Abschliessend möchte ich mich noch einmal sehr herzlich bei Frau Traude Novy und bei allen Redakteurinnen bedanken, denn jeder Artikel erfordert sozusagen eine freiwillige, honorarfreie Zeit- und Wissensspende! Ebenso ein Dankeschön für die hilfreiche Organisation durch Frau Magister Veronika Polster von Fairtrade Österreich.